Einführung durch Ingo Metzmacher - springt für Habakuk
Traber ein
›Von deutscher Seele‹ nannte Ingo Metzmacher
das Thema, das er ins Zentrum seiner ersten Chefdirigentensaison
mit dem DSO Berlin rückte. Nach Hans Pfitzners Kantate, die
der Reihe den Namen gab, und Georg Kaiser|Kurt Weills Schauspieloper
›Der Silbersee‹, ihrer letzten Gemeinschaftsarbeit vor
der erzwungenen Emigration, danach ein ausgesprochen romantisches
Werk: Robert Schumanns ›Paradies und die Peri‹, erleben
Sie heute als vierte Station der Serie Franz Liszt, Hans Eisler,
Ludwig van Beethoven.
Exil und Heroismus (Text Habakuk Traber)
Im Gespräch über sein letztes Werk, die ›Ernsten
Gesänge‹, sagte Hanns Eisler, es sei ein Gebot der Ehrlichkeit
für einen Künstler,»die Dinge zu benennen, die wir
schwer durchlebt haben. Das ist nicht immer angenehm. Es wäre
mir lieber gewesen, einen feschen Marsch zu schreiben, den ich auch
oft geschrieben habe. Aber dieses Mal will ich keinen feschen Marsch
schreiben, sondern ernste Gesänge.« In ihr gedankliches
Zentrum rückte er das Exil, die Existenz in der Fremde, flankiert
von Trauer auf der einen, Hoffnung auf der anderen Seite. Nichts
für Märsche.
Franz Liszt und Ludwig van Beethoven schrieben »fesche Märsche«,
Liszt in seiner bekanntesten Symphonischen Dichtung einen gewaltigen,
Beethoven in seiner bekanntesten Symphonie einen prächtigen.
Heldenmusik. Im Nationalsozialismus wurde sie missbraucht. Doch
hören wir genauer in die Werke: Zweimal fährt Liszt die
heroische Geste aus, als grandiosen Schluss und ziemlich zu Anfang.
Doch da wird sie abgebaut, umgefärbt ins Lyrische. Das herrscht
im ganzen Stück vor, weicht kurz der Schilderung des Sturms.
In Beethovens Fünfter Symphonie löst sich der letzte
aus dem vorletzten Satz mit einem klassischen »Durchbruch«.
Der ist allerdings bis in die Tonart im zweiten, ruhig fließenden
Satz vorgeformt. Das einfache Motiv,das erst die Klarinetten und
Fagotte spielen, und das dann die Trompeten und Hörner in stärkeres
Licht rücken, lässt ahnen, was noch kommen soll. Beethoven
arbeitet in dieser Symphonie mit »Vorgefühlen«
und Rückerinnerungen. Noch in den Schluss, in die vielen Wiederholungen
eines einzigen Akkords, ist der Anfangsrhythmus der Symphonie eingewoben.
Beethoven setzt Signale zum Mit-Denken. Unsere Zeit ruft nicht nach
Heldenklängen. Zur Geschichte der Musik gehören sie dennoch.
Und nicht nur zu ihr. Auch Friedrich Hölderlin, der Altersgenosse
Beethovens und Hauptautor für Eislers ›Ernste Gesänge‹
kannte Heroismus: »Wo ein Volk das Schöne liebt, wo es
den Genius in seinen Künstlern ehrt, da weht wie Lebensluft
ein allgemeiner Geist, der Eigendünkel schmilzt und Helden
gebiert die Begeisterung. Die Heimat aller Menschen ist bei solchem
Volk.«
s. auch Programmheft unten
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